Rollende Klassenzimmer
Ich war auf der Suche nach der „richtigen“ Schule, als mir die idealen Bedingungen ins Auge stachen, unter denen Unterricht an dieser Schule stattfindet: individuelle Förderung in kleinen, leistungs- und altersheterogenen Lerngruppen mit Schwerpunkten in eigenverantwortlichem und projektorientiertem Unterricht.
Nach einer Einarbeitungsphase übernahm ich also meine ersten beiden „eigenen Circusse“ und sogleich galt es, einige Herausforderungen zu meistern. Als in zwei Fächern ausgebildete Lehrerin für die Sekundarstufe I sollte ich nun Schulanfängerinnen und ‑anfängern das Lesen, Schreiben und Rechnen beibringen und war außerdem für alle Fächer zuständig. Denn an der Schule für Circuskinder werden alle Schülerinnen und Schüler eines Circusses von einer Lehrkraft gemeinsam unterrichtet. Ich musste daher lernen, die Unterrichtstage unter diesen besonderen Umständen eigenverantwortlich zu strukturieren und zu gestalten.
Oft stehen Unterrichtstage und ‑ort zu Beginn der Woche noch nicht fest, aber auch neue Unterrichtsumgebungen bieten immer wieder große Möglichkeiten und Herausforderungen: Ist ein Museum in der Nähe? Oder ein Wald? Ist der neue Platz eine matschige Wiese, auf der ich möglicherweise mit meinem Schulmobil stecken bleibe? Wie komme ich morgens pünktlich zu meinem Unterricht?
Die Begleitung der Kinder durch die Circusschule hat mir zudem ermöglicht, nachhaltige Einblicke in das Leben der reisenden Circusfamilien zu erlangen. Leben in einer Lebensgemeinschaft von etwa 10 bis 15 Personen, bestehend aus drei Generationen- in der Regel Großeltern, Eltern und Kinder- ist hier der normale Alltag. Das nachhaltige Vertrauensverhältnis, das sich im Laufe der Zeit entwickelt hat, erlebe ich als ein sehr robustes und tragfähiges Fundament der Zusammenarbeit. Die Besonderheit liegt nicht zuletzt darin, dass man mit allen beteiligten Personen regelmäßig kommuniziert und hautnah positive Auswirkungen von Schule erleben darf.